Herzlich Willkommen auf unserer Homepage, wir hoffen, es sind
einige Ratschläge für Sie dabei.
Wir stellen uns:
Wir als Selbsthilfegruppe bieten wertvolle Unterstützung im Umgang mit Problemen.
Da wir selbst alle ein Spenderorgan erhalten haben, sind wir für den Austausch von Informationen und Erfahrungen dankbar und können auch anderen Betroffenen und deren Angehörigen nützliche Ratschläge geben.
Im Gespräch mit anderen Menschen, die gleiches oder ähnliches erfahren haben, liegt auch viel Trost und Hoffnung.
Jeder Einzelne erfährt, dass er oder sie nicht allein ist mit diesen speziellen Herausforderungen ausgesetzt ist und dass es verschiedene Wege für evtl. Lösungen gibt.
Wir sind ein starkes Team mit einem starken Standbein in der Motivation körperlicher-, organischer oder seelischen Notlagen.
Unserer Gruppe besteht aus:
Herztransplantierten
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Lungentransplantierten
Lebertransplantierten
Nierentransplantierten
Angehörigen
und Patienten, die auf ein Spenderorgan warten.
Einige Betroffene aus unserer Gruppe reden........
(Die Reportage wurde als Serie von dem Redakteur der Neuen
Westfälischen Gütersloh Ingo Müntz erstellt)
"Vielen Dank für die bisherige gute Zusammenarbeit und der
Berichtesrattung!"
Gütersloh.
Von Ingo Müntz
Gütersloh.
Es gibt Kuchen, Kaffee und Wasser. Die drei Frauen sitzen beieinander,
vertraut gehen sie miteinander um. Die Gespräche laufen dahin, sie
sprechen und lachen, sie schweigenund nippen am Kaffee, ein paar
Tränen laufen über eine Wange. Sie sind Leidensgefährtinnen
und Freundinnen, ihr Leben eine Gemeinsamkeit – alle Drei leben mit und
durch ein fremdes Organ, mit der Lunge eines anonymen Spenders.
„Die ganze Situation geht an der Familie und dem Umfeld nicht spurlos
vorüber“, sagt Sylvia Bloch. Die 50-Jährige ist die Jüngste im Trio. Und
ihre Transplantation ist erst vier Jahre her.
„Die erste Diagnose meiner Kurzatmigkeit hatte der Arzt als
Grippesymptome oder Allergie abgetan“, sagt sie. Das war 2005. Erst
später stand die korrekte Diagnose: Fibrose. Dann ging es gefühlt
ziemlich schnell.
"Alle Alternativen geprüft- aber es gibt einfach keine!"
„2012 bekam ich zusätzlich Sauerstoff, bis zu zwölf Liter am Tag. Ich
hatte schon mal von einer Lungentransplantation gehört. Kann mich aber
gar nicht erinnern, wo das war.“ Und genau die stand bereits zwei Jahre
später an. Es war ein warmer Sommer und Sylvia Bloch musste nach
Essen zu Voruntersuchungen. „Man wird untersucht, ob man
transplantabel, also trotz Diagnose gesund genug ist.“ Sie hatte zu der
Zeit zwei halbwüchsige Kinder und merkte, dass es so nicht
weiterging. Im Oktober folgte die Transplantation, die Operation klappte
gut. Der zweite Schock folgte jedoch. „Während der Jahreskontrolle
stellten die Ärzte eine chronische Abstoßung fest.“
Das Ergebnis ist nun, dass von dem ursprünglichen Lungenvolumen von
drei Litern nur noch etwasüber ein Liter geblieben ist. Ruhe macht sich
breit an der Kaffeetafel.
Bei Ursula Steinbauer (64)( 2021)kamen vor der Transplantation drei
Diagnosen zusammen:chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD),
Emphysem und Asthma.
„Als ich 46 Jahre alt war, sagte mir mein Arzt schon, dass
alles auf eine Transplantation zuliefe.“ Das war 2001. Gut
vier Jahre später bekam auch sie externen Sauerstoff, dem zum Teil auch
Opiate zugemischt wurden.
„Wie lässt sich so eine Atemnot beschreiben? Stellen Sie sich ein
geräumiges Einfamilienhaus vor, das die Lunge darstellt. Und zum Schluss
leben Sie nur noch im Gäste-WC.“
Alle Alternativen habe sie geprüft, aber „es gibt einfach keine“. Es ging
immer weiter bergab.
„Ich konnte keine hundert Meter mehr laufen, wurde nachts beatmet. Zur
gleichen Zeit erkrankte auch noch mein Mann.“ 2009 klingelte nachts das
Telefon. „Ich bin zwar drangegangen, hatte aber noch die
Beatmungsmaske auf. Das war erst alles verwirrend“, erzählt Ursula
Steinbauer von dem Anruf der Transplantationsklinik aus Hannover.
Während der ersten Operation wurde die neueLunge transplantiert, bei
zwei Folgeoperationen Risse im Darm versorgt. Das ist jetzt
zehn Jahre her. Doch auch Ursula Steinbauer hat mit einer chronischen
Abstoßung zu kämpfen.
„Das Thema macht alle um uns herum sehr sensibel“, sagt Sylvia Bloch
und erzählt, dass Krankheit, Operation und die Zeit danach Spuren in der
Familie zurücklassen. „Allerdings ist es auch ein großes Geschenk. Das
macht es möglich, dass wir hier heute zusammen sitzen“, sagt Rita
Steinbruch. Wenn sie lacht, muss man zweimal hingucken, denn ihre
Gesichtsmimik ist irgendwie anders. „Mit 16 Jahren wurden bei mir erste
Symptome einer Sklerodermie festgestellt“, sagt sie, eine Verhärtung des
Bindegewebes.
„Die eigentliche Diagnose bekam ich erst mit 29. Bis dahin hatte ich fast
30 Jahre mit immer zu wenig Luft und zu viel Müdigkeit gelebt“, sagt die
55-Jährige. Dann wurde klar: Die Sklerodermie hatte ihre Lunge
angegriffen.
2009 folgte der erste Krankenhausaufenthalt, ein Jahr später der erste
Besuch in der Transplantationsklinik in Hannover. „Kurz danach wurdeich
als hoch dringlich eingestuft und das Thema Transplantation war sofort
akut.“ Steinbruchs Gedanken ähnelten denen ihrer Freundinnen: Angst
vor der Operation gab es kaum.
Denn der Zustand war so schlecht, dass die Lebensqualität gleich null
war. „Bildlich gesprochen hat man Jahre lang, Jahrzehnte lang nur durch
einen Strohhalm geatmet.“ Heute fährt sie viel Rad, gehtWalken und
macht Krafttraining. „Mir war es wichtig, gewisse Traditionen
beizubehalten,dazu gehört fit zu bleiben, so gut es eben geht.“ Verzicht
muss nach der Transplantationreichlich geübt werden, um die neue Lunge
und das Immunsystem zu schützen:
Kein Obst, kein Salat, kein roher Fisch, keine Grapefruit steht auf dem
Tisch. Und das ist nur ein Auszug. Ihre Lunge ist intakt, während ihre
Freundinnen alle drei Wochen zu einer ECP, einer Art Aufbereitung des
Blutes, müssen.
„Darum muss die Widerspruchslösung kommen“
Insgesamt verfügen die drei Frauen über eine Lebenszeit von fast 25
Jahren nach der Transplantation. Eine unglaublich hohe Zahl vor dem
Hintergrund der geringen Spenderzahl inDeutschland. Nach wie vor
profitieren Patienten hierzulande von deutlich ergiebigeren
Spendenvorgängen in anderen europäischen Ländern. „Darum muss die
Widerspruchslösung kommen“, sagt Rita Steinbruch. Demnach ist ein
Mensch dann kein Organspender, wenn er zu Lebzeiten eine
Organentnahme verweigert hat. „Ich befürchte, dass uns Eurotransplant
sonst eines Tage die Rote Karte zeigen wird.“ Die Stiftung Eurotransplant
ist als Service-Organisation für die Zuteilung von gespendeten Organen in
acht europäischen Ländern zuständig. „Es kann ja nicht sein, dass wir auf
der einen Seite ein so herausragendes Gesundheitssystem haben, auf der
anderen Seite solche Missstände.
Letztlich, das darf man bei aller Diskussion nie vergessen – es kann
jeden treffen“, so Steinbruch.
Weitere Informationen zur Selbsthilfegruppe für Patienten und Angehörige
in Gütersloh:
www.selbsthilfe-fuer-organtransplantierte-und-wartepatienten.de
Ein zweites Leben
Organtransplantation: Erika Metzger und Heike Johannknecht haben jeweils eine neue Leber erhalten. Trotz sinkender Organspenden konnten sie überleben. In einer neuen Serie berichtet die NW über solche Schicksale
von Ingo Müntz
Aufklärung: Erika Metzger und Heike Johannknecht hoffen auf Einsicht und mehr Rücksichtnahme der Menschen untereinander. Nur so könne der sinkenden Spendebereitschaft in der Gesellschaft entgegen gewirkt werden. Ohne diese Bereitschaft wären sie beide heute nicht mehr da. Foto: Andreas Frücht
Gütersloh.
So unterschiedlich wie Heike Johannknecht und Erika Metzger sind, so unterschiedlich sind auch ihre Krankheitsverläufe.
Während Erika Metzger bereits seit zehn Jahren mit einer neuen Leber lebt, erhielt Heike Johannknecht vor gut einem Jahr ein neues Organ.
Anfang der 90er Jahre kamen erste Vermutungen auf, dass Erika Metzgers Leber nicht richtig funktioniert. "Die Blutwerte waren sehr schlecht", sagt die heute 74-Jährige. "Aus vielen Gründen habe ich dann eine Gewebeprobe verschoben." Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends gab es Gewissheit.
"Die Biopsie ergab, dass ich eine PBC habe", sagt sie und erklärt: Die primär biliäre Cholangitis sei eine entzündliche Autoimmunkrankheit. Die Entzündung könnte im weiteren Verlauf die gesamte Leber zerstören. "Damals war ich ja noch berufstätig. Und mit den ersten Symptomen der Krankheit kam ich zunächst zurecht. Doch der Juckreiz nahm stark zu, ebenso die Wassereinlagerungen." 2006 fand dann die Kontaktaufnahme mit der Medizinischen Hochschule Hannover statt. Erste Untersuchungen fanden statt. Es musste sichergestellt werden, dass der Allgemeinzustand der Patientin eine Lebertransplantation zuließe. Der Zustand entsprach den Erwartungen, Erika Metzger kam auf die Warteliste. "Bis dahin stand ich auf dem Standpunkt, dass ich mein Organ auf jeden Fall behalten möchte. Ich habe mich besser ernährt, auf mich acht gegeben.
"Inzwischen war sie in den Ruhestand gegangen. Doch ihr allgemeiner Zustand verschlechterte sich. "Ich habe bis zur Operation nur noch gelegen, weil ich nicht mehr fit war. Zudem hatte mein Körper gut 30 Kilogramm Wasser eingelagert.
"Der Anruf aus Hannover kam in der letzten Minute".
Nach der sechsstündigen Operation blieb sie noch vier Monate im Krankenhaus und Rehaeinrichtungen. "Die Ärzte hatten mit Abstoßungsreaktionen zu kämpfen. Aber ich wollte wieder auf die Füße kommen", sagt sie lebhaft und erzählt von ihren ersten Ausflügen mit ihrem "Rolli" und dem "Treppensteigen-Training". "Denn ich wohne im dritten Obergeschoss und wollte mich zeitig darauf vorbereiten", sagt Erika Metzger.
Heute macht ihr hingegen eine andere Erkrankung diesen Weg schwer. Das Leben nach der Lebertransplantation sei aber eher beschwerdefrei. "Immunsuppressiva werde ich bis zu meinem Lebensende nehmen müssen, um eine Abstoßung des Organs zu unterdrücken", sagt sie.
Die Situation nach der Operation klingt wie die von Heike Johannknecht.
Bei der 47-Jährigen war der Abstand zwischen Diagnose und Operation deutlich kürzer. "Meine Diagnose war Leberkrebs", sagt sie gerade heraus. "Alle zwei Jahre habe ich mich komplett durchchecken lassen. Dabei stellte der Arzt einen erhöhten Leberwert fest. Die Kontrolluntersuchung zwei Monate später zeigte kaum eine Veränderung." Die Ultraschalluntersuchung ergab eine "Raumforderung in der Leber", sagt sie. Es folgten noch mal Ultraschall, MRT-Untersuchung und die notwendige Gewebeuntersuchung.
"Der Lebertumor war sieben mal vier Zentimeter groß und er hatte bereits gestreut. Die Ärzte zählten 15 Metastasen." Das war im November 2016. Bereits zwei Tage später folgten Untersuchungen am Universitätsklinikum Münster und über das Transplantationszentrum kam die damals 45-Jährige auf die Transplantationsliste. "Allerdings gab es ein Problem", wirft Heike Johannknecht ein. "Der Krebs war für eine Transplantation zu weit fortgeschritten." Wenn der Tumor zu groß ist und Metastasen gestreut hat, ist nach einer Vorgabe die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Krebserkrankung nach der Transplantation zu hoch.
"Darum habe ich zunächst eine Tablettenchemotherapie durchgeführt, dann eine Tace erhalten", sagt sie und schildert, wie der Arzt über einen Katheter ein Mittel in ihre Leber spritzte, um den Tumor zu veröden. "Bei vollem Bewusstsein. Doch das war es wert. Denn Tumor und Metastasen bildeten sich zurück. Dann erst war der Weg für eine Transplantation frei."Im Mai 2017 kam der Anruf, die Operation begann nachts um drei Uhr und dauerte elf Stunden.
Heute ist sie fast beschwerdefrei. "Allerdings stellte sich heraus, dass die Arterien von neuer Leber und Körper unterschiedliche Durchmesser hatten, ebenso die Anschlüsse der entfernten Gallenblase. Da muss vielleicht in absehbarer Zeit mal ein Stent gesetzt werden." Die kleinen Röhrchen stützen Gefäße und sichern die Durchblutung.
Ähnlich wie bei Erika Metzger hatte auch sie den Reflex, so schnell wie möglich wieder auf eigenen Füßen zu stehen. "Zwischen Krankenhaus und Reha bin ich sogar wieder arbeiten gegangen." Und, die Angst bleibe. In die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen gehe sie immer mit einem flauen Gefühl. Doch sie hat überlebt.
In Deutschland gab es im Jahr 2011 noch 1.200 Organspender, im vergangenen Jahr waren es nur noch 769. Auf die Frage, warum immer weniger Menschen in Deutschland ihre Organe zur Verfügung stellen, haben die zwei Frauen unterschiedliche Ideen.
Erika Metzger: "Vielleicht ist die sinkende Rücksichtnahme der Menschen ein Grund. Ich denke, das direkte Ansprechen der Menschen kann helfen. Auch den Zustand eines Patienten vor und nach der Transplantation zu zeigen." Organentnahme sei zudem ein Thema, über das viele Menschen ungerne nachdenken. Denn es habe immer mit dem Tod zu tun, sagt Heike Johannknecht.
"Organentnahmen sind zudem nicht so einfach möglich. Eigentlich müsste jeder, der auf die Welt kommt, Organspender sein", sagt sie und spielt auf gesetzliche Regelungen wie zum Beispiel in den Niederlanden und Spanien an. Hier müssen Menschen ausdrücklich erklären, wenn sie keine Organe spenden wollen.
Und vielleicht sollten mehr Informationen über die Vorteile der Organspende an die Menschen herangetragen werden, sagen sie. Es könne damit zum Beispiel in den Schulen angefangen werden. Solange kein Gesetz greife, müsse in den Köpfen der Menschen was passieren.
Wie es ist eine neue Niere zu bekommen
Während Carmen Nolte bereits ein neues Organ hat, wartet Harald Rempe noch auf den rettenden Eingriff. Beide berichten, wie es ihnen in diesem Zustand geht
von Ingo Müntz
Gütersloh.
Es gibt Kaffee und Wasser. Carmen Nolte hebt ihr Wasserglas hoch. „Als ich an der Dialyse war, durfte ich am Tag nicht mehr als 500 Milliliter trinken, also etwas mehr als das hier." Sie sei damit gut zurecht gekommen, beantwortet sie die erstaunte Nachfrage. Heute trinke sie natürlich deutlich mehr. Heute, das bedeutet zwei Transplantationen später. „Mein erstes Symptom war hoher Blutdruck", sagt sie und erinnert sich.
Damals war sie Mitte dreißig. Die Diagnose: Zystenniere. Bei dieser erblich bedingten Erkrankung bilden sich mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen in der Niere. Die Filterfunktion der Niere lässt nach, der Tod droht.
Allerdings konnte sie mit der Erkrankung noch gut zehn Jahre unbeschwert leben. „Erst mit 48 Jahren musste ich an die Dialyse", sagt Carmen Nolte. Es folgten acht Jahre an der Maschine. „Mein Leben richtete sich nach den Dialyseterminen. Vormittags war ich berufstätig und dreimal in der Woche musste ich von 13 bis 18 Uhr an die Blutwäsche.
Im Jahr 2005 stand dann meine Nierentransplantation an", sagt Carmen Nolte und fügt hinzu: „Die war leider nicht erfolgreich. Das Organ hat nicht funktioniert."
Wieder Dialyse
Also ging es wieder an die Dialyse. Neben der körperlichen auch eine mentale Belastung? „Ich wollte da einfach durch, ich hatte gar keine Zweifel", sagt Carmen Nolte. Sie sei immer zuversichtlich gewesen, den Mut habe sie nie verloren.
Nach der ersten Transplantation blieb sie auf der Liste ganz oben. Ein Angebot zur zweiten Transplantation konnte sie zunächst wegen einer Infektion nicht wahrnehmen. Im Jahr 2007 sollte alles passen. „Während der Dialyse erhielt ich den Anruf. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah."Heute lebt sie seit elf Jahren mit dem neuen Organ. Und sie hofft, „dass ich die bis zum Ende meines Lebens behalten kann."
Aufgrund des hohen Infektionsrisikos durch die sogenannten Immunsuppressiva, mied sie in der ersten Zeit Menschenmengen, gewöhnte sich eine sehr sorgfältige Handhygiene an und vermeidet bis heute das so übliche Händeschütteln zur Begrüßung. Denn ein Immunsuppressivum setzt die Funktion des Immunsystems herunter, um Abstoßungen des neuen Organs zu unterbinden. Gleichzeitig werden die Patienten aber auch empfänglicher für Infektionen wie Erkältungen. „So muss ich auch vor jeder Zahnreinigung daran denken, ein Antibiotikum zu mir zu nehmen." Harald Rempe setzt seine Kaffeetasse ab.
Auf den rettenden Eingriff warten
Er hat genau zugehört, auch wenn er schon tief im Thema ist. Die einzige erkennbare Gemeinsamkeit von Carmen Nolte und Harald Rempe ist ihr Alter: Beide sind 69 Jahre jung. Doch während Carmen Nolte bereits neue Organe erhielt, wartet Harald Rempe noch auf den rettenden Eingriff.
An dem sonst so schlanken Mann fällt der gewölbte Bauch auf. Der klassische Bierbauch kann es nicht sein, „denn ich trinke seit 1999 keinen Alkohol mehr, rauche nicht und esse vegetarisch", sagt er.
In dem Jahr erhielt er die Diagnose „Niereninsuffizienz", was eine Unterfunktion der Nieren bedeutet. „Von dem Tag an versuchte ich meine Nieren zu erhalten. Dazu gehörte unter anderem der Versuch, so gut es geht auf Eiweiß zu verzichten, um den Zerfall der Nieren zu verlangsamen." Doch nach 16 Jahren musste eine Therapie her. „Die Dialyse wurde fällig, ich war ja vorgewarnt. Also musste ich mich entscheiden, ob ich die Hämo- oder Bauchfelldialyse wähle."
Das Wasserdepot als Bauch getarnt
Während bei der Hämodialyse das Blut außerhalb des Körpers gefiltert und gereinigt wird, bedient sich die Bauchfelldialyse eines anderen Filters. Einige Liter Zuckerlösung gelangen durch einen Katheter in die Bauchhöhle.
Der Körper bemüht sich, diese Lösung zu verdünnen, setzt eine Entwässerung in Gang und spült auch Giftstoffe in den Bauchraum. Das Bauchfell wirkt dabei als Filter. Die verdünnte Lösung muss der Patient dann wieder ablassen. Dieses Wasserdepot trägt Harald Rempe als Bauch getarnt mit sich herum. „Die Flüssigkeit tausche ich viermal am Tag", sagt Harald Rempe.
Im Jahr kommen da 3.000 Liter Lösung zusammen, „nach den zwei Jahren sind das nun 6.000 Liter!"
Als das Nierenversagen diagnostiziert wurde, kam er sofort ins Krankenhaus und erhielt den Katheter. „Eine Woche lang habe ich unter Aufsicht trainiert, um die Dialyse später auch zu Hause durchführen zu können." Rempe entschied sich für diese etwas schonendere Dialyseform, um unabhängiger zu sein. „Einschränkungen in Alltag oder Essen habe ich nicht.
Alle zwei Jahre steht ein Komplettcheck an
Doch heute wartet er auf die Transplantation. Akut rechne er nicht mit einer Operation. „Ich habe Bekannte, die seit sieben oder zehn Jahren auf der Transplantationsliste stehen. Das Problem dabei ist nur – man wird nicht jünger!" Der Vorteil sei allerdings, dass während der Wartezeit alle zwei Jahre ein Komplettcheck anstünde.
Auf die drastisch sinkenden Zahlen der Organspender in Deutschland reagieren sie bestürzt. In Deutschland gab es im Jahr 2011 noch 1.200 Organspender, im vergangenen Jahr waren es nur noch 769. „In Deutschland sollte auch die Widerspruchsregelung eingeführt werden", sagt Harald Rempe. Die bedeutet, dass jeder volljährige Mensch Organspender ist, es sei denn, er hat ausdrücklich widersprochen. Während diese Regelung zum Beispiel in Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Türkei, Ungarn und Zypern praktiziert wird, gilt in Deutschland als einzigem Land die sogenannte Entscheidungslösung. Das bedeutet, dass deutsche Patienten von den Lösungen der Nachbarstaaten profitieren und von dort Organe erhalten.
Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht?
Carmen Nolte ergänzt: „Die Menschen sind bei diesem Thema kaum zu erreichen, da es um den Tod geht. Und damit möchten sich nur wenige auseinandersetzen." Dabei empfinde sie die Aussage der Kritiker, es handele sich um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, nur als ein vorgeschobenes Argument.
Letztlich könne jeder Mensch betroffen sein, sagt Rempe. Auch die, die sich aus verschiedenen Gründen gegen die Organspende ereiferten. „Was ist denn mit denen, wenn sie ein neues Organ bräuchten? Verzichten sie dann? Es gilt doch, dem Tod etwas Positives zu geben."
Gütersloh: Wie das Leben mit einem Spenderherz ist
Organtransplantation: Seit acht Jahren lebt Hubert Knicker mit einem Spenderherz. Als Mitorganisator einer Selbsthilfegruppe wirbt er für Transplantationen.
von Ingo Müntz
Gütersloh. Krankenpfleger Hubert Knicker hat Dienst. Wege in andere Abteilungen sind Teil seiner Aufgabe. Einer dieser Wege verändert sein Leben. „Ich kam die Treppe nicht mehr hoch", sagt er. Eine ihm unbekannte heftige Luftnot machte das Treppenhaus unüberwindbar.
Zuversichtlich: Mit einem neuen Herzen in der Brust geht es in die zweite Lebenshälfte. Und die nutzt Hubert Knicker, um seine Geschichte zu erzählen und zu informieren. Nur so können – möglicherweise – mehr Menschen motiviert werden, durch Organe Leben zu spenden. - © Ingo Müntz
„Wenn ich das hier überlebe, engagiere ich mich für Organtransplantationen"
Seine Kollegin riet ihm, zu verschnaufen. „Meine Frau Karin und ich wollten am kommenden Tag in den Urlaub fahren. Ich wollte ihr diese Situation verheimlichen." Doch seine Frau kannte ihn einfach zu gut. Zudem ist sie Krankenschwester. Der Weg führte Hubert Knicker zum Kardiologen. „Beim Belastungs-EKG konnte ich nur 20 Watt treten, ich hatte Wasser in der Lunge und mein Herz nur 30 Prozent Pumpwirkung." Das Ergebnis einer schweren Herzmuskelentzündung.
Da war Hubert Knicker 37 Jahre alt. Das ist mehr als 20 Jahre her. Heute sitzt der 60-Jährige im Gütersloher Straßencafé und erzählt seine Geschichte. Eine Geschichte mit allen Facetten, die ein Mensch erleben kann. In der Mitte der Geschichte – die Transplantation eines Spenderherzens in seine Brust. Und das Versprechen an sich: „Wenn ich das hier überlebe, engagiere ich mich für Organtransplantationen.
"Das Ergebnis heute ist die „Selbsthilfegruppe für Menschen vor und nach Organtransplantation Gütersloh".
Als Mitorganisator konnte Hubert Knicker die Gruppe vor gut zwei Jahren ins Leben rufen. „Wir brauchten acht Mitglieder zur Gründung, hatten aber deutlich mehr. Der harte Kern besteht heute aus gut zehn Menschen mit neuer Niere, Leber, Herz, Lunge und Patienten auf der Warteliste für eine Transplantation." Diese Mischung sei auch die Stärke der Gruppe. Über die Organe hinweg sei das Ziel, „sich gegenseitig Kraft zu geben und Informationen auszutauschen.
Außerdem haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, die Menschen um uns herum aufzuklären und für die Organtransplantation zu werben." Denn die Zahl der Spender sei in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken. Was allerdings noch fehle: „Ich wünschte, es wären mehr Angehörige in der Gruppe. Denn vielen hilft es, sich mal einen Transplantierten anzusehen. Aber auch, sich mit den Risiken auseinanderzusetzen. Denn im schlimmsten Fall bleiben die Angehörigen alleine zurück ..."
Eine wachsende Furcht vor dem Unbekannten, vielleicht dem Tod, hatte ihn zunehmend in der Hand
Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Patient auf der Warteliste stirbt. Der 60-Jährige kann darüber eine traurige Anekdote anbringen, die sich kurz vor seiner Transplantation zugetragen hat. Dazu muss er ein wenig ausholen. „Nach der Diagnose gab es Gespräche mit den Ärzten. Eines war damals für mich klar: Ich wollte kein fremdes Organ verpflanzt bekommen. Klar war auch, dass ich nicht mehr arbeiten konnte." Der letzte Rentenbescheid weissagte ihm einen monatlichen Betrag von 400 D-Mark. Er machte sich Sorgen um seine Finanzen, um seinen 12-jährigen Sohn, um seine Frau – schlicht um alle.
Nur irgendwie nicht um sich. Die Erwerbslosenrente 1998 rettete ihn vor zu vielen Sorgen. 2003 ist er dann vom Rasenmäher gefallen. Als er wieder klar im Kopf war, schleppte Knicker sich die 13 Stufen vom Garten ins Haus. Seine Frau rief den Notarzt. Doch beide ließen ihn nicht auf das EKG gucken. Im Rettungswagen wurde er defibrilliert und kardiovertiert. Zur Sicherheit implantierten ihm die Ärzte des Herzzentrums Bad Oeynhausen einen Defibrillator.
Im Jahr 2007 erhielt er in einer Nacht sieben Stromstöße von dem Gerät.
Ein klares Zeichen für ihn. Eine wachsende Furcht vor dem Unbekannten, vielleicht dem Tod, hatte ihn zunehmend in der Hand. „Zu der Zeit hatte mein Herz nur noch eine Pumpleistung von 15 Prozent. Vier Jahre ging das alles gut. Die 13 Stufen schaffte ich allerdings gar nicht mehr ins Haus. Es ging wieder ins Herzzentrum. Ich hatte keinen Bock mehr. Ich war total antriebslos. Allerdings war Sterben gar nicht so einfach und meine Frau war meine beste Psychologin."
Auf der Herzstation kam der Professor auf ihn zu und stellte klar: „Knicker, du hast zwei Chancen: Sterben oder Kunstherz!" Knicker entschied sich fürs Kunstherz.
Kunstherz ist nicht so ganz korrekt. Ein extern getragenes Herzunterstützungssystem war seine Rettung.
„Ich lernte einen 23-jährigen Hobbyfußballer aus Aachen mit dem System kennen. Die Gespräche waren sehr positiv. Außerdem standen unsere Silberhochzeit und die Hochzeit meines Sohnes an." Klare Impulse fürs Weitermachen. Hubert Knicker wurde das System implantiert. Von da an lief er mit seinem Handtäschchen herum, das die lebenserhaltende Pumpe enthielt. Und von da an hatte er keinen Puls mehr, denn das Herz hatte aufgehört zu schlagen."
Bis zum Ende seines Lebens muss er Immunsuppressiva nehmen
Trotzdem sagt er: „Das war für mich eine schöne Zeit. Es wurde für mich qualitativ deutlich besser." Die Zeit nutzte das Paar für viele Urlaube. Zwei Jahre später zwang ihn ein technischer Defekt der Pumpe wieder ins Herzzentrum. Auf der Warteliste zur Transplantation rutschte er als „hochdringlich" weiter nach oben. Er wurde stationär aufgenommen. Dann folgt die traurige Anekdote. „Wir waren sieben Patienten, die warteten. Gemeinsam versuchten wir, uns mental aufzubauen.
Während meiner 78 Tage bis zum Eingriff starben vier der Mitpatienten während ihrer Wartezeit. Bei einem Patienten war das Organ schon unterwegs. Doch es kam zu spät. Der Patient starb im Operationssaal", sagt er. An einem Pizzaabend auf der Herzstation kam sein Ruf in den OP. Das Organ war da, wurde implantiert. „Als ich aufwachte, glaubte ich zunächst nicht an eine Transplantation. Es ging gefühlt so schnell, die Neunstunden-Operation hatte ich ja verschlafen. Erst als meine Frau meine Hände auf meine Brust legte, konnte ich das Puckern des neuen Herzens fühlen."
Zwei Folgeoperationen an der Lunge schwächten ihn, retten ihm gleichzeitig das Leben. Nach sieben Tagen erfolgte eine erste heftige Abstoßungsreaktion. „Ich stand neben mir, sah Delfine an den Fenstern und verängstigte mit wirren Gedanken meinen Sohn." Das ist acht Jahre her. Bis zum Ende seines Lebens muss er Immunsuppressiva nehmen, verzichtet auf den geliebten rohen Matjes mit Zwiebeln und Schinken. Ja, sagt er, natürlich habe er sich Gedanken über den Spender gemacht, und nimmt einen Schluck aus der Wasserflasche.
„Ich stelle mir ihn als großen stämmigen Harley-Fahrer vor", sagt er und erklärt dann, warum er aus der Flasche trinkt. „Mein Spender hat mir einen Herpes vererbt. Und wenn ich aus Gläsern trinke, kommt der schnell mal über mich. Sie wissen schon."